Das Ego bleibt draußen

von Gerd Hartmann

Schauspielerweiterbildung boomt. Zahllose private Schulen bieten inzwischen Kurse auch für fertige Mimen an, Coaches bereiten auf Castings und Rollen vor – ein junger, schwer überschaubarer Markt mit nur unklar definierten Qualitätskriterien. Vom Spielen vor der Kamera über szenische Arbeit bis hin zu Kursen über Marketing und Demovideoschnitt reicht die Palette. Die Konkurrenz im darstellenden Gewerbe ist groß und gute Selbstvermarktung ein absolutes Muss.

Auf der anderen Seite setzt sich auch bei etablierten Schauspielern der jüngeren Generation die Einsicht durch, dass gezieltes Weiterlernen nach der Ausbildung kein Zeichen von Schwäche ist. „Auch Leute mit Namen haben mittlerweile keine Angst mehr, sich vor einer offenen Klasse zu präsentieren“.

Der aktuelle Boom hat viele Ursachen. Den ersten Schritt machte Vater Staat mit der Zulassung des Privatfernsehens. Drehen – in der kleinen öffentlich-rechtlichen Senderlandschaft oft nur ein Nebenjob für Theaterschauspieler – wurde für viele zur Hauptbeschäftigung. Die Aufhebung des staatlichen Arbeitsvermittlungsmonopols 1994 krempelte die Szene schließlich völlig um. Neben der amtlichen Mimenvermittlung ZBF entstanden zahllose private Schauspiel- und Castingagenturen. Für die galten die rigiden Aufnahmekriterien der Staatskartei nicht. So kamen viele Schauspieler ohne klassischen Ausbildungsweg in den immer größeren und härteren Vermittlungsmarkt. Parallel dazu veränderten sich die Besetzungspraktiken. Ohne ein Casting mit Dutzenden von potenziell passenden Gesichtern wird heute keine größere Fernseh- und Filmrolle mehr vergeben.

Besuch bei Frank Betzelt. Auf der Referenzliste seines Coachingteams tummelt sich die Champions League des deutschen Films: Daniel Brühl, Maria Furtwängler, Hannah Herzsprung – alle haben sich gemeinsam mit ihm auf Rollen vorbereitet. Er führt den Aufstieg seines Gewerbes vor allem darauf zurück, dass viele Schauspieler mittlerweile fast ausschließlich vor der Kamera stehen: „Am Set kann man nicht riskieren zu scheitern.“ Einen Raum zum Experimentieren wie bei einer Theaterprobe gibt es bei den engen Drehplänen nicht. Der ausgebildete Schauspieler und Regisseur, der seit 14 Jahren coacht, sieht seine Hauptaufgabe darin, „die Menschen zum Blühen zu bringen“. Das kann passieren, indem man sich jede Szene im Skript genau anschaut und spielt. Oder auch nur in einer kurzen Session, bei der die Konstellationen der Charaktere wie bei einer Familienaufstellung mit Tassen simuliert werden. Betzelt arbeitet mit unterschiedlichen Methoden: „Manchmal kann man mit einem Satz die Tür aufmachen.“ Aber der Weg dahin dauert – und kostet: 70 bis 90 Euro pro Stunde für ein Einzelcoaching. Plus Mehrwertsteuer. Die vielen Kurse, die sein Team anbietet, sind um einiges preiswerter.